21. und 22. 04. 2012   Ausflug ins Colca Canyon


Eigentlich sollten wir für die bei einer Agenzia gebuchte Tour um 7 Uhr 30 am Hotel abgeholt werden. Als wir um 8 Uhr 45 immer noch vor dem Hotel stehen, meint unser Hotelchef: In Peru sei 8 Uhr eben 9 Uhr. Als ich den Chef der Agenzia anrufe, werden wir bald danach abgeholt. Die kleine Gruppe von Mitreisenden besteht fast nur aus jungen peruanischen Studenten und einem israelischen Touristen in unserem Alter. Heute fahren wir in Richtung Norden an den beiden Wahrzeichen-Vulkanen von Arequipa vorbei nach Chivay, der Provinzhauptstadt der Colca-Region (155 km). Unser erster Stopp auf der Pampa Cañahuas gilt den Vicuñaherden (Wildform der Lamas), die hier das Steppengras der Hochfläche (3.800 m) besonders schätzen. Überall an der viel befahrenen Straße entlang weisen warnende Hinweisschilder darauf hin, dass hier die Vicuñas Vorfahrt haben. Leider grasen die Tiere in deutlicher Distanz zur Straße, so dass wir sie nur von Weitem sehen können. Kurz nach der Abzweigung der Straße nach Chivay machen wir an einer kleinen Raststätte halt, um uns mit Coca-Tee vor der enormen Höhe zu wappnen. Der Rastplatz ist gut gewählt, denn gegenüber hat die Erosion in eine Tuffabbruchkante bizarre Formen aus dem Fels gesägt. Die asphaltierte Straße führt an unzähligen Alpaca- und Lamaherden vorbei auf den höchsten Punkt, den Patapampapass ( 4.900 m). Von hier aus soll man viele schneebedeckte Vulkane erblicken können, wenn nicht – wie in unserem Fall – eine Gewitterfront alles verdeckt. Bevor den Frauen, die an dem Pass allerlei Stoffsachen aus Alpacawolle anbieten, der Regen die Auslagen wegfegt, kauft Katrin noch schnell einen Poncho. Von der Passhöhe windet sich die Straße in zahllosen Kehren 1000 Höhenmeter hinunter nach Chivay. Der Blick in das Tal ist großartig. Von hier ob sieht das Provinznest recht pittoresk aus, was sich deutlich beim Näherkommen ändert. Die Provinzhauptstadt entpuppt sich schnell als ein armseliges Andendorf mit Lehmstraßen, die beim Gewitterregen sich leicht in Schlammpisten verwandeln.  Unser Hotel fügt sich in seiner frappierenden Schlichtheit nahtlos in das Ambiente. Vielleicht verstärkt der Regen auch noch das triste Bild. Bedrückend nehmen wir in einem Raum an unsrem Hotel wahr, dass 3 ca. 12jährige Jungs emsig an Nähmaschinen arbeiten. Die Begegnung mit Kinderarbeit macht uns ziemlich zu schaffen. Auch die Versicherung des Vaters, dass die Jungs zur Schule gehen und nur in ihrer "Freizeit" arbeiten, kann unsere düstere  Stimmung nicht lichten.

Am späten Nachmittag erwartet uns aber noch ein angenehmes Intermezzo im Thermalbad Calera, 4 km von Chivay entfernt. Die 38° heißen Becken lassen so manch anderen Unbill vergessen. Wenn dazu Jugendliche am Beckenrand in traditionellen Kostümen auch noch ein wenig Folkloretanz bieten, was will man mehr. In der geringen Freizeit schauen wir uns noch ein wenig im Ortszentrum um. Der kleine Markt bietet auch am Samstagabend noch reichlich Angebote und Trubel.

Mit gewissen Vorbehalten lassen wir uns zu der obligatorischen Folkloreshow mit Abendessen abführen. Aber sowohl das Menü als auch Kapelle + Tanzpaar entpuppen sich als durchaus hörens- und sehenswert, wenn man mal von den üblichen Versuchen, das Publikum zum Hohngelächter der Anwesenden miteinzubeziehen, absieht.

 

22.04.  Um 5 Uhr aufstehen, 5 Uhr 30 Frühstück und 6 Uhr 15 Abfahrt. Schon nach den ersten Kilometern ins Colcatal hinein, nehme ich verdächtige Geräusche im Kleinbus und den typischen Geruch von verbranntem Gummi wahr. In mir steigt die Sorge auf, ob wir noch rechtzeitig oder überhaupt zu dem Punkt gelangen, von dem aus man die Kondore beobachten kann. Erst als das Auto beim ersten Halt mit grandiosen Blicken auf den sich immer tiefer eingrabenden Rio Colca und die terrassierten Talhänge nicht mehr anspringt, springt die Sorge auf Katrin über und verwandelt sich allmählich in Angst. Auch als der Kleinbus nach einem kühnen Kaltstart wieder rollt, klammert sich Katrins Blick stur auf die Felswände an ihrer Seite und vermeidet stupende in die Abgründe des Colcatals auf meiner Seite zu blicken. Unser Guide entscheidet sich die 44 km auf Holperpiste durchzufahren ohne weitere Fotostopps, eine richtige Entscheidung; denn keine 20 Minuten später nach unserer Ankunft am Mirador „Cruz del Cóndor“ erheben sich die eindrucksvollen Vögel in die langsam einsetzende Thermik der Morgensonne. Doch zuvor können wir ein Kondorpaar an ihrem Schlafplatz beobachten, wie sie sich langsam für den Start rüsten. Diese mächtigen Vögel mit einer Flügelspannweite von 3,60 m haben viel mit dem Menschenleben gemeinsam, sie werden 70 Jahre alt, erst mit 12 geschlechtsreif. Da das Weibchen alle 8 Jahre nur ein Ei legt, sind die Vögel vom Aussterben bedroht. Der Anblick der majestätischen Vögel, wie sie sich in der Thermik in die Lüfte schrauben ist unglaublich, kein Wunder, dass sie den Inkas heilig waren und die obere Welt der Sonne repräsentieren.

Aber auch der Blick in die Tiefe des Canyon, in der – kaum noch erkennbar – der Rio Colca schäumt, ist atemberaubend. Die Ureinwohner hatten hier einen Opferaltar für die Allmutter „Pachamama“ aufgestellt. Um dem heidnischen Treiben ein Ende zu setzen, haben die Spanier hier ein Kreuz aufgestellt. Als Konsequenz haben die Indigenas einfach den Opferplatz verlegt. Als die Besuchermassen eintreffen, sind die Kondore auf und davon. Was für ein Glück, dass wir sie noch live erleben konnten.

Auf der Heimfahrt holen wir die Stopps nach bei laufendem Motor. Immer wieder entzückt das im östlichen Teil weite Colcatal mit seinen ausgeprägten vorinkaischen Terrassen. Das Colcatal bildete wegen seiner Fruchtbarkeit und guten Bewässerung das Rückgrat der Versorgung mit landwirtschaftlichen Gütern im Inkareich. Das ist auch heute noch zusehen. An einer steilen Felswand werden uns Gräber aus der Vorinkazeit, die sich wie Schwalbennester an den Fels schmiegen gezeigt. Als Kontrast dazu haben die spanischen Franziskanermönche in dem Dorf Maca eine wunderschöne schneeweiße Kirche mit überaus prachtvollen Altären hinterlassen.

In Chivay bricht der Kleinbus endgültig zusammen. Unser pfiffiger Guide besorgt aber einen Ersatz, wie er das hier in der Abgeschiedenheit bewerkstelligt, ist sein Geheimnis. Bis Ersatz da ist, nutzen wir die Zeit, um noch mal in den Ort zu laufen und uns mit Früchten einzudecken, weil wir nicht in dem Touristenrestaurant abgefüttert werden wollten.

 

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Karte zum Colca Canyon
mapa_colca_tour2.jpg
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