15.04.2012   Macchu Picchu

Einen Bericht über Macchu Picchu zu verfassen, fällt mir aus zwei Gründen nicht leicht: einmal ist noch so wenig wissenschaftlich gesichert, dass den meisten Gebäude eher Fantasiefunktionen zugeschrieben werden. Sodann ist Macchu Picchu ein Augenfutter. Das Licht, die Strukturlinien, die Bergkulisse, die Lage der Stadt an schwindelerregenden Abgründen, 400 m über dem Urubamba, das lässt sich nur schwer in Worte fassen. Hier stößt meine Sprache an ihre Grenze. Deshalb will ich mich darin bescheiden, lediglich einige Gefühle und Gedanken wiederzugeben, die uns beim Besuch Macchu Picchus bewegt haben.

Der Pfad vom Intipunku (Sonnentor, 2.745 m) in die Stadt (ca. 2 km) hält ständig zwei Herausforderungen bereit: Der saugende Blick auf die Stadt und die entzückenden Orchideen am Weg, so dass wir geraume Zeit benötigen, die Entfernung zu verkürzen. Das Stadttor, mit Spuren von einer Zugbrücke, ähnelt sehr unseren mittelalterlichen Stadttoren. Zunächst steigen wir hinauf zum sog. „Wachthäuschen“, an dem einige Lamas die Zuwendungen der Touristen stoisch über sich ergehen lassen. Auch ich kann nicht umhin, sie als Vordergrund für das klassische Macchu Picchu Foto zu benutzen. Vom Wachthäuschen hat man einen atemstockenden Blick auf die Stadt und ihre steilen Flanken zum Urubamba hin, der die Stadt und den malerischen Berg Wayna Picchu, der wie ein Zuckerhut den Hintergrund bildet, in einer engen Schleife umfließt. Die Abstürze sind durch geniale Terrassen gesichert. Keine Ahnung, wie Menschen diese Kunstwerke an diese jähen Abgründe bauen konnten. Auf der östlichen Flanke dienen die Terrassen als Anbauflächen. Macchu Picchu war in puncto Nahrungsmittel und Wasserversorgung völlig autark. Das ist offensichtlich. Genial ist auch die Nutzung der heiligen Quelle, die über 12 nacheinander geordnete Becken die Stadt versorgt. Dabei ist die Wasserführungsrinne in kunstvollen Linien in den Felsen eingeschnitten. Die Gebäude, die sich über dem Quellenheiligtum auftürmen, werden als Inkapalast und Palast der Prinzessinnen bezeichnet. Wie auch immer, sie sind sehr repräsentativ und haben die typischen fugenlosen Mauern aus passgenau geschnittenen Steinquadern, wie wir sie aus Cusco kennen. Dass ein ovaler Bau im Zentrum des Bezirks als Sonnentempel anzusprechen ist, leuchtet deswegen ein, weil seine zentrale Fensteröffnung genau auf den Initipunku (Sonnentor) gerichtet ist und die aufgehende Sonne am 21. Juni (Wintersonnenwende für die südliche Halbkugel) durch das Sonnentor und dieses Fenster auf einen Steinaltar trifft. Repräsentativ ist der geräumige Hauptplatz Intipampa (Sonnenplatz), der die „Oberstadt“ von der „Unterstadt“ trennt. Überhaupt beeindrucken die vielen Plätze in den einzelnen Stadtquartieren. An der östlichen Seite dieses Hauptplatzes sind einige hochrepräsentative Bauten anzutreffen. Der Bezirk ist wie ein Hufeisen gestaltet. Östlich wird der Platz durch einen sog. Tempel der drei Fenster begrenzt; er erinnert an die „Trinität“ der Inkareligion in den oftmals anzutreffenden Symbolen: Kondor (Symbol für Erhabenheit) repräsentiert den Himmel, Puma (Symbol für Kraft) die Welt der Lebenden, Schlange (Symbol der Weisheit) die erntetragende Mutter Natur. Überall in den sakralen Gebäuden finden sich auch Darstellungen des Andenkreuzes. Die philosophisch-religiöse Vorstellung einer allumfassenden und vom menschlichen Leben untrennbaren Natur leuchtet uns sehr ein. Im Norden öffnet sich ein sog. Viracocha-Tempel (der Prometheus der Inkas) , ein riesiger Opferstein bildet das Zentrum des Platzes, der im Süden durch den Palast des Oberpriesters (?) abgetrennt wird. Eine steile Treppe führt hinauf zum sog. Sonnenobservatorium (Intiwatana= Ort, an den die Sonne gebunden wird). Ein Granitblock weist in der Mitte einen Sporn auf, der zu astronomischen Zwecken genutzt wird. Einen ähnlichen Stein haben wir auch in Pisaq gesehen.

An diesem Ort müssen wir abbrechen, weil Katrin offenbar die Rache der Inkas ins Gedärm eingedrungen ist. Bisher hatten wir beide Glück von diesem Verdauungsphänomen verschont zu werden. Nun hat`s die arme Katrin doch erwischt. Wir beschließen, mit dem Bus nach Aguas Calientes hinunter in unser vorgebuchtes Hotel zu fahren. Ohnehin ist Macchu Picchu von Touristenschwärmen und Gruppenanstürmen inzwischen überschwemmt.

Am Nachmittag, Katrin hat sich erholt, das Wetter umgeschlagen in strömenden Regen, was uns besonders motiviert, noch einmal mit dem Bus nach Macchu Picchu hochzufahren. Im Bus sind wir die einzigen Fahrgäste, auch in Macchu Picchu hat der strömende Regen die Touristenmassen vertrieben. Wir können nach Herzenslust uns die anderen Stadtquartiere erobern. Außerdem ist es reizvoll, die Stadt in Regen und Nebelschwaden zu erleben, nachdem am Morgen der klarste Sonnenschein Macchu Picchu erhellt hat. Was uns bei unserer zweistündigen Erkundung besonders auffällt  auch in den anderen Quartieren, die z. T. abenteuerliche Fantasienamen erhalten haben: z.B. Quartier der Intellektuellen: sorgfältig auf einander abgestimmte Gebäude um große Innenhöfe, alle Mauern sind nach Innen leicht geneigt. Alle Fenster und Nischen zeigen die Trapezform. Oft finden wir auch die alternierende Reihe von Fenstern und Nischen. Kleine Gassen führen an die jäh abstürzenden Terrassen. Geheimnisse über Geheimnisse….. Unsere Entdeckerlaune bekommt reichlich Stoff.

Erholung und Entspannung finden wir in den Thermalbädern von Aguas Calientes. Auch wenn das Wasser etwas trübe erscheint, ist es doch kräftig warm und entspannend. Am Abend erwartet uns als Belohnung ein vorzügliches Menü im Restaurant „Indio Feliz“, der zurecht – finden wir – den Ruf als eines der besten Restaurants in Südperu hat.

 

 

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