Karte unseres tatsächlichen Reiseverlaufs - südlicher Teil -
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Karte unseres tatsächlichen Reiseverlaufs - nördlicher Teil -
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Aufstellung der zurückgelegten Entfernungen
detalliert nach Art der Fortbewegung: Flug, Bus, Wanderung etc.
Reiseentfernungen Südamerika.pdf
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Versuch eines Resümees

Je nachdem, ob man Katrin oder mich nach einem Fazit unserer Südamerikareise fragt, erhält man gemeinsame, aber auch sehr unterschiedliche Aussagen. Das ist einer der Gründe für die Schwierigkeit eines solchen Resümees. Dann kommen noch die unendlich vielen Aspekte des Erlebens hinzu, die es schwierig machen, eine Zusammenfassung der 3 Monate zu versuchen. Gleichwohl finde ich es für uns wichtig, darüber nachzudenken, was die Essentials einer Reise solcher Länge und solcher Vielfalt waren. Also versuche ich mich mal in einer Annäherung an ein solches Resümee:

 

Geplanter und realisierter Reiseablauf

Vielleicht war es vermessen, eine individuelle Reise mit Rucksack durch Länder Lateinamerikas so detailliert zu planen, wie wir es gemacht haben. Der Ablauf hat unsere Bemühung aber legitimiert. Und bis auf eine Ausnahme konnten wir uns auch in dem geplanten Zeitrahmen bewegen. In Sucre, am 31. März, hat uns die Fluggesellschaft Aerosur einfach den Flug nach La Paz gestrichen, so dass wir erst am 1. 4. fliegen konnten (siehe Tagebuchseite). Sonst haben die äußeren Umstände unsere Zeitplanung nicht verwirrt. Wir haben allerdings immer so viele Zeitpuffer eingebaut, dass wir auf Änderungen oder Lust, länger irgendwo zu bleiben, flexibel reagieren konnten. Die geplanten Ziele konnten fast alle erreicht werden. Eine Ausnahme, aber eine gewichtige in der Tat, macht der Chimborazo, der uns eine Gipfelbesteigung nicht vergönnt hat. Im Gegenzug haben wir einen Ausflug in den tropischen Regenwald an einen der Quellflüsse des Amazonas unternommen, den wir voher nicht geplant hatten. Aber die Neugier und Lust, auch diese Landschaft kennen zu lernen, wuchs von Monat zu Monat. Und die Berichte und Erfahrungen anderer Reisender fachten die Begierde an, auch in den Dschungel zu fahren. Auch die Skepsis und Sorge, dass wir uns im tropischen Regenwald vielleicht der Gefahr einer Malaria-Infektion aussetzen könnten, verflüchtigten sich schließlich. Wir warteten auf unseren Reisegefährten Thomas, um mit ihm zusammen in den Osten Ecuadors zu fahren, weil dem Reservat Cuyabeno der größte Artenreichtum im ganzen Amazonasbecken von den Reiseführern bescheinigt wird.

 

Entfernungen, die wir in den drei Monaten zurückgelegt haben:

Insgesamt haben wir 28.575 km durch Flüge bewältigt.

In Bolivien haben wir mit Bus/Jeep   2.393 km (geplant: 2.000),

in Peru                                              4.928 km (geplant: 4.000),

in Ecuador                                         2.346 km (geplant: 2.000)

zurückgelegt,

dazu kommen noch Wanderungen    mit ca. 150 km,

Flussfahrten                                      mit ca.   50 km,

Kreuzfahrt auf Galapagos                 mit ca. 200 km

Das entspricht einer Gesamtentfernung von: 38.642 km

 

Begegnung mit anderen Menschen

Es hängt mit der Art unserer individuellen Rucksackreise zusammen, dass wir vor allem jungen, viel jüngeren Mitreisenden begegnet sind. Die meisten waren auf einer halb- oder ganzjährigen Tour durch Südamerika zwischen Abi und Studium oder zwischen Examen und Berufsanfang, eine Rechtsanwältin aus Frankreich zwischen zwei Kanzleianstellungen, ein Österreicher auf einer Radtour von Alaska bis Feuerland. Aber auch Weltreisenden im Rentenalter sind wir begegnet, einem Paar aus Freiburg (welch ein Zufall!) sind wir am Titicacasse begegnet, das mit Wohnmobil ein Jahr lang Südamerika bereist. In Ollantaytambo haben wir ein deutsches Paar getroffen, die in Südafrika wohnen, jeweils ein halbes Jahr auch mit Wohnmobil in Südamerika unterwegs sind, bevor sie wieder nach Südafrika nach Hause fahren, um im nächsten Jahr die Wohnmobilreise fortzusetzen.

Trotz aller Verschiedenheit in Alter, Interessen und Motivation, haben aber alle etwas gemeinsam: sie sind unglaublich interessante Gesprächspartner. Es macht Spass, mit Ihnen Erfahrungen auszutauschen. Vieles lernen wir von jungen Leuten, die in Peru oder Ecuador ihr FSJ leisten und intensiven Kontakt mit Einheimischen pflegen oder ganz eigene Erfahrungen mit Land und Leuten gemacht haben. Manchmal wird der Kontakt spontan sehr intensiv und es baut sich so schnell Vertrauen auf, dass wir wie im Fall von Annett und Michael aus Lima in ihre Wohnung eingeladen werden. Besonders haben uns junge Frauen beeindruckt, die mehrere Monate oder ein ganzes Jahr allein durch Lateinamerika reisen. Das schien uns wirklich "tough".

Auch der Kontakt mit den Einheimischen war natürlich viel breiter und intensiver als bei einer Gruppenreise. Unser bisschen Spanisch oder die guten Englischkenntnisse auf Seiten der Einheimischen ermöglichten zahlose Kontakte und Gespräche, in denen wir viel über die Befindlichkeit der Einwohner, ihre Meinung über Politik und Lebensumstände erfahren und Antworten auf unsere vielen Fragen erhalten haben.

 

Was ist uns in den drei Andenstaaten besonders aufgefallen?

 

Zunächst: Was haben die drei 3 Länder Bolivien. Peru, Ecuador gemeinsam?

Das Hervorstechendste sind die unglaublichen Kontraste, zwischen den verschiedenen Landschaftsteilen, zwischen den sozialen Schichten, zwischen traditionellen Lebensformen und der Moderne. Die letzteren Gegensätze prallen oft  hart und unmittelbar aufeinander. Die Straßen von La Paz sind gesäumt von den traditionell gekleideten Indigena-Frauen, die landwirtschaftliche Produkte feil bieten, fast jede dasselbe, ohne irgendeine Marktstuktur. Daneben die über alles thronende Handywerbung der Firma "Claro". Im Zuge der Wiederentdeckung ihrer eigenen Geschichte kommen den traditionellen Formen der Kleidung und der Kulte größere Bedeutung zu als noch vor Jahren, wurde uns mitgeteilt. Dagegen hat die Internet- revolution die Länder noch breiter erfasst als Europa: fast in jedem Hotel und größerem Restaurant steht kostenloses WLan (Wifi, wie es dort heißt) zur Verfügung. In Otavalo/Ecuador hat die Stadtverwaltung sogar die Plaza Mayor mit WLan augestattet. Da sollten sich die Kommunen bei uns ein Beispiel nehmen!!!

 

Die sozialen Unterschiede prallen räumlich nicht ebenso hart aufeinander. Die Reichen wohnen beispielsweise in La Paz in den tieferen Stadtteilen im Südosten, wo die Luft sauerstoffreicher wird. Die Boomstadt El Alto auf 4.100 m ist das Sammelbecken der Landflüchtigen. Entsprechend ist kaum ein Haus fertig gebaut, die Straßen sind Schlammpisten, alles unfertig. Im Straßenbild der Städte, gleich ob Lima, La Paz oder Quito, fehlt der europäische Chic. Auch die jungen Frauen sind eher schlicht bekleidet in Jeans, oft Leggins, auch bei denen, deren Figur diese Kleidung eher sprengt, wenig extravagante Kleider oder Anzüge bei den Herren. Allerdings wandeln die Frauen fast alle hochhackig daher. So scheinen eher ärmliche gekleidete oder Menschen mit bescheidenem Wohlstand die Straßen zu dominieren. Das zumindest ist so Eindruck, wenn man die Pupillen weit öffnet und niemanden genauer fixiert. Auch in den Schaufenstern springt den Betrachter nicht unbedingt der letzte Schrei schicker Mode an, ganz gleich ob Miraflores (Lima) oder La Mariscal (Quito). Ich bin dafür vielleicht nicht der kompetenteste Gewährsmann. Mir ist aber aufgefallen, dass sich Katrins Lust zum Schaufensterbummel oder zum Shoppen in deutlichen Grenzen hielt. Aber vielleicht haben wir die teure Meile nie so richtig aufgesucht.

Die landschaftlichen Kontraste sind Kennzeichen der Andenstaaten. Das betrifft vor allem bei Ecuador und Peru die Kontraste zwischen Costa, Altiplano und Selva (tropischem Regenwald). Diese Gegensätze haben wir vor allem in dem kleinsten Land Ecuador sehr deutlich gespürt, wo die geringeren Entfernungen die Kontraste stärker hervortreten lassen. Das kann man an dem Relief der Landschaft, am Klima und an dem Leben der Menschen ablesen. In Ecuador haben wir das Altiplano, gemäßigtere Zonen und das pazifische Klima der Galapagos Inseln kennen gelernt. Kurz nach unserem Besuch im Cuyabeno-Dschungelreservat, wo uns die Kleidung am Körper klebte, froren wir solidarisch mit den in dicke Ponchos gehüllten Einwohnern von Pilingui San Pablo am Fuße des Chimborazo, während das frühlingshafte Klima von Quito am Mittag sommerlich warme, nach Sonnenuntergang kühle Lüfte bot. In Bolivien haben wir nur das Altiplano und die etwas gemäßigtere Zone um Sucre kennen gelernt, in Peru fehlt uns der tropische Regenwald. Dafür haben wir das andine Hochland und die wüstentrockenen Küsten sowohl im Süden als auch im Norden ausgiebig erlebt. Der Gegensatz zwischen dem feucht kühlen Chivay am Colca Canyon und dem trocken heißen Strand von Máncora könnte nicht größer ausfallen.

 

Gemeinsam ist den Ländern auch die Wiederentdeckung der eigenen vorkolonialen Geschichte. Das Interesse an der eigenen Geschichte vor der spanischen Eroberung ist in allen drei Ländern erwacht, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität. Am stärksten spürt man in Bolivien die Wiederentdeckung der eigenen Identität in der indianischen Geschichte. Das hängt vermutlich mit der Politik des Präsidenten Evo Morales zusammen, des ersten indigenen Präsidenten in diesen Ländern. Auch die Eingeborenen- sprachen Aymara und Quechua sind offiziell anerkannt und werden an den Universtäten  linguistisch erforscht. Dem Reisenden fällt natürlich auf, dass mit der indianischen Vergangenheit, nachgerade dem Erbe der Inka, überall im Andenkengeschäft viel Geld gemacht wird. Das verwundert nicht, sind doch die Hinterlassenschaften der großen indianischen Kulturen der eigentliche Tourismusmagnet. Wegen der spanischen Kolonialzeit fährt kaum jemand hierher.

Wenn man mit nachdenklichen Einheimischen spricht, hört man auch die Sorge heraus, dass die Begeisterung für die eigene Kultur auch Gefahr läuft, die Geschichte der indianischen Kulturen selektiv darzustellen, nur das Großartige, das Problematische aber auszuklammern. Damit würden wichtige Chancen vertan, sich die eigene Geschichte wahrhaftig und kritisch anzueignen. Die Sorge leuchtet uns ein. Bei uns überwiegen aber Gedanken, wie die Spanier versucht haben, mit dem Vorwand ihrer christlich überlegenen Kultur den Einheimischen nicht nur politische Selbständigkeit, Besitz und Leben zu nehmen, sondern auch die Erinnerung an die eigene Geschichte zu rauben. Das ist - nach 500 Jahren betrachtet - offenbar nicht gelungen. Das finden wir erst einmal als einen Gewinn für die Länder.

 

Gemeinsam ist allen Ländern auch die Freundlichkeit der Menschen gegenüber Fremden. Wir sind nirgendwo Unfreundlichkeit, Ignoranz oder gar Feindseligkeit begegnet. Im Gegenteil ist uns nur Freundlichkeit, Interesse und Gastfreundschaft entgegen gebracht worden. Mitunter kann die Freundlichkeit auch ins Nachteilige umschlagen, wenn man auf genaue Informationen angewiesen ist, die Leute aber aus Höflichkeit irgend etwas sagen, auch wenn sie nichts Genaues wissen. Dann darf man dem Gesagten nicht blindlings vertrauen. Aber irgendwie spürt man, ob der Gefragte über solides Wissen verfügt oder nur über freundliches Gebaren. Dann muss man eben mehrere Informationen von mehreren Personen einholen.

 

Achtung Fußgänger!!! Autofahrer haben immer Vorfahrt.

Das gilt für alle drei Länder. Im Straßenverkehr pochen die Autos immer auf das Recht des Stärkeren, allein vor roten Ampeln machen sie halt, und auch das nur, wenn dichter Verkehr ist oder Polizisten anwesend. Fußgänger sind nur auf den Gehwegen sicher, die mit hohen Rinnsteinen von der Fahrstraße abgetrennt sind. Allerdings herrscht auch auf den Gehwegen das Recht des Stärkeren. Man muss aufpassen, von anderen entgegenkommenden Passanten nicht runter gedrängt zu werden. Zebrastreifen haben keinerlei Bedeutung. Die Erziehungsaktionen in La Paz, die Autos an den Streifen mit als Zebra verkleideten Jugendlichen anzuhalten, wirkten geradezu rührend. 

 

Gemeinsamkeit konnten wir auch in dem allenthalben sichtbaren Fleiß der Einwohner erblicken. Müßiggang haben wir nur selten beobachtet, höchstens mal eine kurze Zeit in den Parkanlagen der schönen zentralen Plätze. Die Leute waren unentwegt beschäftigt, die Läden hatten von 8 Uhr morgens bis 21 Uhr abends auf, eine kurze Siesta von 2 Stunden, aber nicht flächendeckend. Die Banken allerdings sind hiervon ausgenommen. Eine Vielzahl der Menschen arbeitet auch am Wochenende, an Sonn- und Feiertagen ohne Unterlass. Man sollte meinen, dass das doch zu wirtschaftlichem Erfolg führen muss. Dem genaueren Blick entgeht jedoch nicht, dass hier vielfach nicht effektiv gearbeitet wird, der Sinn für Rentabilität gar nicht vorhanden ist. Wir haben das in den Gesprächen mit Einheimischen selbst oder mit Leuten, die geschäftlich in den Ländern zu tun haben, bestätigt bekommen. Deshalb kommen viele trotz großen Arbeitseinsatzes nicht richtig voran.

 

Gemeinsam ist leider auch eine durchweg geringe Bildung der Schichten, mit denen wir in Berührung gekommen sind. Wir räumen ein, dass wir weder mit der Businessclass noch den politischen Eliten zusammen getroffen sind, lediglich mit Personen der unteren oder mittleren Dienstleistungsklasse. Dennoch war unsere Erfahrung in allen drei Ländern, dass kaum jemand im Kopf rechnen konnte oder wollte, selbst für die kleinsten Rechenoperationen wurde der Taschenrechner bemüht. Fremdsprachen wurden selten gesprochen, höchstens in den typischen Reiseangenturen. Eklatant und verblüffend war die Erfahrung, dass in der Hauptstadt Quito bei der Touristenpolizei keiner des Englischen mächtig war. Oft waren wir froh, wenn unser Spanisch überhaupt verstanden wurde, da unser Gegenüber eher Quechua sprach. Das geringe Bildungsniveau wurde uns auch von Austauschschülern aus Deutschland bestätigt, die z.B. in Ecuador ins Gymnasium gingen. Sie bekräftigten, dass die Klassen dort um mindestens 2 Jahre im Stoff hinter vergleichbaren deutschen Klassenstufen hinterher hingen. Das mögen Einzelerfahrungen sein. Aber unsere vielen Begegnungen in 3 Monaten verdichten sich zu dem Eindruck, dass gerade im Bereich der Bildung noch viel Potenzial entwickelt werden könnte.

 

Vergleichbar in allen diesen Ländern ist auch eine spürbare politische Dynamik.

Wenn man die jüngere Geschichte dieser Länder betrachtet, dann ist nach vielen Jahren der Militärdiktatur die Demokratie ein junges Pflänzchen. 2011 ist in Peru der links-nationalistische Ollanta Humala zum Präsidenten gewählt worden. Peru erlebte unter den fünf Regierungsjahren von Humalas Vorgänger Alán García eine Zeit wirtschaftlichen Aufschwungs mit jährlichen Wachstumsraten um sechs und zuletzt 2010 sogar von fast neun Prozent. Von dem Geldsegen, den das Land hauptsächlich den Erlösen aus den Rohstoffexporten verdankt, haben indes weniger die armen Bevölkerungsschichten als vor allem die großen Konzerne profitiert. Humala will mit Hilfe von Verfassungsänderungen eine bessere Verteilung der Einkommen und eine Stärkung der Rechte sozial benachteiligter Gesellschaftssektoren erreichen. Ähnlich dynamisch ist auch die Politik in Bolivien wahrzunehmen. Zwar ist das Land ziemlich gespalten in der Beurteilung seines Präsidenten Evo Morales. In Santa Cruz ist die Opposition gegen Morales und seine Bewegung zum Sozialismus am größten. Es geht vor allem um einen höheren Anteil an den Einnahmen aus den großen Gasreserven, die in dem Staat lagern. Morales will das Geld nutzen, um es in ganz Bolivien zu verteilen. Auch wollen Wirtschaftsverbände ihre Sojaplantagen und Rinderfarmen vor dem Zugriff der Regierung schützen, die das Land an arme Bauern verteilen will. Auf der anderen Seite kann er sich der Unterstützung der Indigenas sicher sein, auch wenn viele seine  außenpolitischen Escapaden (Verbrüderung mit Irans Achmedinedschad, Verehrung von Hugo Chavez und auch Gaddafi!) nicht nur belächeln. 

In Ecuador ist mit Correa ein linksgerichteter Politiker Präsident, der von Teilen der Medien gerne mit dem negativen Attribut "populistisch" belegt wird. Seine politische Überzeugung wird als „linksnationalistisch“ umschrieben, was  bedeutet, einerseits eine Politik der Partizipation breiter Bevölkerungsschichten an Entscheidungsfindung und Reichtum im Land zu realisieren und den übermächtigen Einfluss wirtschaftlich-politischer Eliten auf allen Ebenen der Gesellschaft zurückzudrängen, andererseits ausländische Einflüsse in Politik und Wirtschaft zu beschneiden und heimische Kräfte für eine „wirtschaftlich-soziale Wiederbelebung“ zu stärken. Dazu hat die Regierung Correa eine "revolución ciudadana" ausgerufen, die bis in die Gemeinden wirtschaftliche Impulse bringen will. Das kann man überall nicht nur an den Propagandaplakaten beobachten. Die Beziehungen zwischen den Regierungen Ecuadors und der USA sind seit dem Amtsantritt von Rafael Correa im Januar 2007 angespannt. Durch ein Verfassungsreferendum wurde 2008 jede dauerhafte ausländische Militärpräsenz der USA in Ecuador verboten, die Manta-Militärbasis der USA darauf hin geschlossen. Das hat den Wikileaks-Gründer Assange wohl auch veranlasst, in Ecuador Asyl zu suchen. Die US-amerikakritische Haltung teilen alle drei Präsidenten von Ecuador, Peru und Bolivien, was bei der nicht immer segensreichen Intervention der USA während der Diktaturen in diesen Ländern nachvollziehbar ist. Allerdings haben die Präsidenten von Ecuador und Bolivien offenkundig Probleme mit kritischen Medien, weshalb immer mehr Vorwürfe wegen Menschenrechtsverletzung und Medienbehinderung vorgetragen werden. Die Presse - zumindest die führenden Zeitungen und Fernsehsender - in allen diesen Ländern hat uns wegen ihrer Seriosität und Qualität positiv überrascht.

 

Was unterscheidet die Länder?

Das sind vor allem die wirtschaftlichen Bedingungen. Wir konnten ganz klar ein Gefälle von Norden nach Süden beobachten. Bolivien ist das ärmste Land, die Preise sind am niedrigsten, die Infrastruktur am weitesten zurück. Dabei verfügt das Land über unermessliche Rohstoffreserven. Nicht nur die Chinesen bieten die Ausbeutung dieser Rohstoffe an. Hierbei ist die zögernde Haltung von Evo Morales vielleicht sogar ein Bremsklotz gegen umweltzerstörende Rohstoffgewinnung?

In Peru ist ein Gefälle vom Land zur Stadt zu beobachten. Während die Zentren und wohlhabenden Viertel von Lima, Arequipa oder Trujillo modern und angenehm wirken, sehen die Vorstädte ähnlich chaotisch und unfertig aus wie die meisten Landstädte, die wir gesehen haben: kurzatmig und billig hochgezogen ohne städtebauliches Konzept, wie man sich eben Städte in einem "Entwicklungsland" vorstellt. Dabei gehört Peru schon seit geraumer Zeit zu den "Schwellenländern". Das trifft aber nur auf die urbanen Zentren zu.

Ecuador ist sicher das am meisten entwickelte Andenland. Das können wir nicht nur für die Hauptstadt Quito bestätigen, sondern auch für Landstädte wie Otavalo, die uns wegen ihrer Schönheit und Sauberkeit besonders beeindruckt haben. Baños oder Riobamba z. B. zeigen eine breite Palette von öffentlich gepflegten Bereichen und interessanten Geschäften. Dafür ist Ecuador mit Abstand das teuerste Reiseland in den Anden. Ein einfaches Beispiel, ein Alpaka-Pullover kostet im Schnitt  in Bolivien unter 10 €, in Peru 25 €, in Ecuador 35 €. 

 

Begegnungen mit den Resten der präkolumbianischen Kulturen

Mein Interesse und meine Begeisterung für die indianischen Kulturen der Anden geht bis in meine Kindheit zurück. Als ich mit 12 Jahren über die Inkafestung Sacsayhuaman bei Cuzco las und Bilder anschaute, hatte ich bereits den brennenden Wunsch, dies einmal in meinem Leben zu sehen. In den letzten Jahren und im Vorfeld der Reise habe ich viel über die Inkas und die Vorgängerkulturen in den Anden gelesen. Das hat meine Neugier und meine Erwartungen so angefacht, dass das Kennenlernen der Reste dieser Kulturen zu meiner vielleicht wichtigsten Motivation für diese Reise wurde. Es ist uns gelungen, bis auf eine Ausnahme (das Nationalmuseum für Archächologie in Lima hatte just an dem einzigen Tag, der uns für einen Besuch blieb, wegen Renovierungsarbeiten geschlossen) alle wichtigen Stätten und Museen zu besuchen. Meine Erwartungen wurden bei weitem übertroffen. Katrins Erstaunen über das hohe Niveau dieser Zivilisationen und ihre Wut über die hochmütige Zerstörung durch die christlichen Spanier steigerten sich immer mehr. Die Beschäftigung und Begegnung mit diesen Kulturen hat uns tief bewegt und nachdenklich gemacht. Je mehr archäologische Stätten und erhaltene Kunstwerke wir kennen lernten, um so mehr wurde uns klar, wie wenig Gesichertes man eigentlich über diese Kulturen weiß. Es bleiben viele Geheimnisse stehen. Zum Beispiel ist nach wie vor unklar, auf welche Weise die Inkas die gewaltigen Monolithen über große Distanzen transportieren und derart exakt bearbeiten konnten oder was die Menschen in Nazca vor 2000 Jahren bewogen haben mag, Figuren von mathematischer Exaktheit in die Wüste zu scharren, die man nur aus der Luft richtig erkennen kann. Wir konnten beobachten, dass sich in der Ikonografie, im Bildprogramm und in den Grundelementen kultischer Architektur offenbar eine Kontinuität über 2500 Jahre beobachten lässt, ganz gleich ob in Adobeziegeln oder in Steinblöcken. Alles sehr spannend und geheimnisvoll. Begeistert haben uns vor allem die portraithaften Vasen der Mochica-Kultur, die in ihrem Realismus vielleicht nur noch mit römischen Portraits zu vergleichen sind. Sicher war der Besuch Machu Picchus einer der Höhepunkte unserer Reise, nicht nur wegen der Großartigkeit der Ruinen, sondern auch wegen der einzigartigen Einbettung in eine gandiose Landschaftskulisse.

 

Begegnungen mit Natur und Landschaft

Damit leite ich über zu diesem zweiten zentralen Aspekt unserer Reise. Was wir an Landschaften gesehen und welche Begegnungen wir mit Tieren in ihrer natürlichen Umgebung hatten, lässt sich nur noch mit Superlativen beschreiben. Ob wir uns an die buntscheckige Laguna Colorada mit ihren Tausenden von Flamingos oder die lichtblaue Laguna 69 in der Cordillera Blanca erinnern, es waren Momente höchsten Erstaunens und Glücks, solche Naturschönheiten erleben zu können. So könnten wir uns an ganz viele Beispiele erinnern. Die Andenländer bieten auch in den Landschaften bizarre Kontraste und außergewöhnliche Begegnungen mit den Tieren. In den Hochanden haben wir die Kondore starten sehen, im tropischen Regenwald ein Faultier, auf den kalten Hochebenen der Anden Vicuñas, auf Galapagos unglaublich viele erstaunliche Tiere aus nächster Nähe beobachtet. Diese Eindrücke werden uns noch lange beschäftigen, auch wenn wir  - wieder zu Hause - erst einmal die üppig sanften Übergänge der badischen Landschaft gegen die bizarren Kontraste Südamerikas eingetauscht haben.

 

Abschließend ließe sich noch zusammenfassend bemerken:

von Katrin ist zu hören (mit kurzer zeitlicher Distanz), dass die Großartigkeit der Erlebnisse und Begegnungen auch mit großem Aufwand, mit viel Anstrengung und Entbehrung erkauft worden sind. Sie wundert sich, dass alle nur die schönen Erlebnisse erzählen, aber keiner auch mal über die Anstrengungen und die katastrophalen hygienischen Verhältnisse ein Wort verliert. Vielleicht wird sich ihre Einschätzung ja mit größerem Zeitabstand noch verändern.

Für mich selbst war es eine der größten Herausforderungen und einer der erlebnisreichsten Reiseunternehmungen, vielleicht die wichtigste Reise meines Lebens.

Unser Zusammengehörigkeitsgefühl ist sicher durch diese gemeinsamen Erlebnisse weiter gewachsen und hat sich vertieft. Wir haben uns optimal ergänzt. Wenn der eine ungeduldig und aufgeregt war, konnte ihn der andere beruhigen. Wir waren ein gutes Team.

Auch die gemeinsame Fahrt mit Thomas Ach im letzten Drittel unserer Reise war eine Steigerung und Bereicherung. Seine fröhlich humorvolle Art hat uns nach dem Schock in Quito gut getan. Zu Dritt ließ sich dann die Reise noch entspannter und sicherer  fortsetzen.



 



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