Erlebnisse in Vietnam 6.-12.01.16

5.-6. Januar 2016  Gundelfingen-Frankfurta.M.-Abu Dhabi-Ho Chi Minh City (HCMC)

6 Stunden Zeitverschiebung müssen erst einmal überbrückt werden. Dank der Fluggesellschaft der VAE Etihap ist das auch in Economy relativ komfortabel gelöst. Auch der kleine Aufenthalt in Abu Dhabi war gut zum Beinevertreten. Die kalte Zugluft im Flieger hat Katrin, von dem Infekt der letzten Tage geschwächt,  jedoch ziemlich zugesetzt.

Die Ankunft in Ho Chi Minh City verlief auch problemlos. Da EU-Bürger für einen Kurzaufenthalt in Viet Nam kein Visum mehr brauchen, war die Immigrationprozedur schnell erledigt. Und dann empfing uns gegen 19 Uhr eine feuchte Treibhausluft von 27 Grad. Was für ein Kontrast!

Doch dann lief nicht mehr alles so glatt. Es fing damit an, dass derTaxifahrer zunächst nach unseren  Angaben das Hotel nicht fand. Schliesslich haben wir es mit freundlicher Hilfe im Gassengewirr des 1.Distrikts doch gefunden. Uns erwartete so ein richtiges Backpacker mit Minizimmer, kein Kleiderschrank, kaum Ablagen, sauber und tolle Nasszelle, aber eben Mini. Die Enttäuschung war Katrin nicht nur im Gesicht geschrieben, sondern auch strömte auch in Form von Tränen die Wangen runter. "Und hier sollen wir uns nach der Anstrengung erholen?" Tja, im Internet sah das ganz anders aus. Ich habe dann schnell gehandelt und das Zimmer für die nächsten Tage storniert. Aber es war zu spät und wir zu müde, um noch jetzt das Hotel zu wechseln. Die Besitzer waren so freundlich iund haben das gleich akzeptiert.  

Es ist gerade noch so viel Kraft da, in einem einfachen Restaurant etwas zu essen. An der Ecke lockt eine Cocktailkneipe noch zu einem Absacker, bevor uns ein bleierner Morpheus umfängt.

 

 

7. Januar 2016 HCMC

Ein ausgiebiges Frühstück lässt die Lebensgeister wieder auferstehen. Die freundlich familiäre Atmosphäre tut uns gut. Ueberhaupt ist es wohl auch ein Stück vietnamesisches Ambiente, dass just neben dem Frühstückstisch das Motorrad parkt.

Ganz in der Nähe finden wir ein anderes Hotel mit einem grösseren Zimmer. Nun noch mal Rucksack packen und umziehen. Ankommen mit Hindernissen. Dann erst lassen wir uns von dem hektischen Grossstadtalltag mitspülen. Dramatische Momente an den Ampeln, bevor die Motorradarmadas losstürzen. Die Strassen zu überqueren scheint bei dem Verkehrsgewühl scheinbar unmöglich. Wir machen es den Einheimischen nach und laufen einfach los, nicht blind, sondern aufmerksam, aber mutig. Offenbar nimmt jeder Rücksicht auf jeden. Irgendwie funktioniert das ganz hervorragend, aber ist gewöhnungsbedürftig. An den wenigen Ampeln kann man sich auch nicht auf eine freie Bahn bei Grün verlassen.

Am Nachmittag lassen wir uns treiben. Katrin schreibt Tagebuch in einem Gartencafe, ich hole noch ein wenig Schlaf nach, damit wir uns am Abend wieder ins Gewühl stürzen.

Die vielen öffentlichen Parks sind belebt mit Tanz-, Fitnesstraining und Schattenbox-übungen. Der Ben Than-Markt will gerade schliessen, leider. Deshalb schlendern wir die Le Loi Strasse bis zum Ende des Boulevards Nguyen Hue. Vor dem alten Rathaus grüsst Onkel Ho, in der Abendbeleuchtung etwas übersinnlich. Erst an der Dong Khoi in Höhe der französischen Oper biegen wir nun rechts in die Hauptgeschäftsstrasse, wo die teuren Marken inzwischen ihren Platz im immer noch sozialistischen Viet Nam gefunden haben. In dieser Strasse lädt uns ein feines Restaurant mal zum Schlemmen ein, nicht ganz billig, aber hübsches Ambiente mit zwei Musikerinnen, die sich Mühe geben, uns mit einer mässig interessanten einheimischen Musik zu unterhalten. Ich glaube, ich vermisse die Halbtöne, irgendetwas stört mich bei dieser Musik. Wir schlendern zurück durch das abendlich brodelnde HCMC, um dann noch in der Sky-Bar neben unserem Hotel einen Schlummertrunk zu nehmen. Der Blick von hier oben auf das nächtliche Downtown ist atemberaubend. In der Tat, nun sind wir richtig angekommen

8. Januar 2016 HCMC

Am Morgen wollten wir etwas in die ältere Geschichte und Kultur dieser Stadt eintauchen. Doch zuvor buchten wir für den Samstag, den 9. Januar einen Tagesausflug in das Mekongdelta. Von den Reiseführern wird der Besuch des Tempels des Jadekaisers empfohlen. Dieser Schrein wurde von chinesischen Einwohnern  zu Ehren des obersten Himmelsgottes, des sog. Jadekaisers errichtet. Dazu müssen wir ein Taxi nehmen, denn das Tempelchen liegt am Rande des Innenstadtbereichs. Aber das pittoreske Heiligtum rechtfertigt den Aufwand, zumal es ja auch unsere erste Annäherung an eine der vielen religiösen Gebräuche dieses Landes ist, hier dem Daoismus. Zwei niedliche, nicht wirklich abschreckende Marmorlöwen bewachen den Eingang. Im Inneren sind mehrere Räume auszumachen. Im zentralen Raum erkenne ich einen stehenden jugendlichen Buddha, begleitet von Quan Ann, der Barmherzigkeitsgöttin, die mit ihren Armen die 8 Stufen der Erkenntnis sinnfällig macht. So, meine Deutung. In einem der hinteren Räume thront der Jadekaiser, bewacht von eindrucksvollen Kriegern und Beamten. Neben dieser Szenerie sind auf schwarzen Holzpaneelen die Höllenqualen der moralisch schlechten Menschen dargestellt. Auch wenn die Einzelheiten schwer zu erkennen sind in dem schummrigen Licht, sollten sich die hiesigen Künstler hier mal Anregungen im christlichen Augustinermuseum holen. Dann könnten sie lernen, was deftige Marter betrifft. Anders auch als in den christlichen Kirchen ist hier reges Treiben. Viele Gläubige zeigen ihre Verehrung durch Räucherstäbchen oder andere kleine Spenden. Andere essen hier und scheinen den Tempel zum angenehmen kühlen Aufenthalt zu nutzen. Wir sind von dem ganzen Flair angetan, auch wenn der Räucherstäbchenqualm Katrins angegriffenen Atemwegen zu schaffen macht.

Und nun beginnt eine frustrierende Odyssee, um eine vietnamesische SIM-Karte zu erstehen. Wahrscheinlich wäre das alles ganz simpel gewesen. Aber hier wirkt sich eine Problematik aus, die uns sicher noch weitere Schwierigkeiten bereiten wird. Im Gegensatz zu den Reiseführern, den Berichten im Internet und auch Erzählungen kann ich die allgemein verbreiteten Englischkenntnisse der jungen Vietnamesen nicht bestätigen. Im Gegenteil, ich habe ausser dem Tourmanager, der uns die Mekongtour verkauft hat, bisher niemanden getroffen, der wirklich Englisch versteht und auch sprechen kann. Meistens sind es nur ein paar Brocken und die so „asiatisch“ ausgesprochen, dass ich sie kaum als englische Worte erkennen, geschweige denn verstehen kann. Umgekehrt gelingt es mir auch nur äusserst selten mich verständlich zu machen, weil ausser den Allerweltsworten wenig Sprachkompetenz zu finden ist. Das ist nur unser vorläufiger Eindruck. Aber er führte dazu, dass man uns von Pontius zu Pilatus schickte, immer mit dem Taxi versteht sich, um zu unseren Anfangspunkt wieder zu gelangen, wo wir dann unter erheblichen Sprachproblemen dann doch endlich die SIM-Karten kaufen konnten.

Einem Stück jüngeren Geschichte sind wir am Nachmittag im traditionsreichen Hotel Majestic am Ufer des Saigon River näher getreten. Graham Greene soll hier 1952 den berühmten Vietnamroman „Der stille Amerikaner“ geschrieben haben. Das Ambiente in der dem Jugendstil nachempfundenen Lobby und Bar animiert uns zu einem Nachmittagscocktail, zumal auch noch schöne Musik vom Piano erklingt. Das Majestic geniessen wir als eine Oase, umtost von der Tsumani ähnlichen Motorrad- und Mofawelle. Mit dem Taxi zurück zum Hotel, und ein niedliches Restaurant (es schmeckt eigentlich überall lecker – die Unterschiede zeigen sich allein im Preis) ganz in der Nähe beschliesst den 2. Saigontag. Wir gehen früh ins Bett, weil wir einerseits immer noch den Jet Lag abarbeiten, andererseits morgen ganz früh ins Mekongdelta fahren wollen.

9. Januar 2016  Mekongdelta

Um 5 Uhr bereits holt uns der Guide mit seinem Fahrer zu unsere „Privattour“ ins Mekongdelta ab. Selbst um diese frühe Zeit schläft die Stadt nicht. Aber wir holen noch ein bisschen Schlummer nach, bis die Morgensonne die endlosen Reisfelder des Deltas erglühen lässt. Wir erfahren, dass die Bauern hier 3mal im Jahr ernten können und durch die Alluvialfracht des Mekong kaum düngen müssen. Auf seiner 4500 km langen Reise sammelt der Fluss Mineralien und überschwemmt damit die Reisfelderdes Deltas. Ein altes Sprichwort hier heisst: „ Ist der Mekong gelb, freuen sich der Reis und die Fische.“ Unser Guide Tay spricht leidlich Englisch, sodass solche Sätze durchaus verstanden werden. Wir lernen auch, dass Viet Nam dank der Mekong-Region zum zweitgrössten Reisexporteur der Welt geworden ist. Leider lässt die Zersiedlung der Landschaft entlang der Strassen kaum einen Blick auf die Reisfluren zu. Die Strasse überquert unzählige Kanäle und kleine Arme des Mekong. Die zwei grossen Mündungsarme, der östliche Tien Giang und derwestliche Hau Giang,werden seit 4 Jahren durch riesige Brücken überspannt. Bei der Provinzhauptstadt Can Tho, nahe der kambodschanischen Grenze, wartet schon unser Boot, das uns flussaufwärts zu dem „schwimmenden Markt“ schaukelt. An den Ufern gleiten Merkwürdigkeiten vorbei, ein offenbar falsch beladener Flusskahn hat solche Schlagseite, dass er fast sinkt. Auf hohen Stelzen schwanken die Holzhäuser als ärmlicher Vordergrund vor neureichen Hochhäusern. Und dann taucht ein  riesiges Nonnenkloster auf. Hier im Süden ist die katholische Minderheit seit dem „amerikanischen Krieg“ überrepräsentiert. 8 Kilometer flussaufwärts stossen wir auf den „Schwimmenden Markt“. Hier werden die Geschäfte auf dem Wasser abgewickelt. Wie wir auch sonst schon festgestellt haben, liegt offenbar die Hauptlast der Geschäftigkeit auf den Schultern von Frauen. Auch hier dominieren sie die Szenerie. Unser Bootsführer kauft einen ganzen Sack von Gemüsezwiebeln. Katrin ersteht eine schöne Melone von zwei Frauen, die im Paddelboot unterwegs sind. Die Luft ist erfüllt vom Geknatter der Motoren mit langen Aussenborderstangen. Auf manchen grösseren Schiffen wohnen die Leute, denn die ganze Familie ist hier aktiv, einschliesslich des Kleinkindes, das gefährlich nahe an der Bordkante krabbelt. Wir können uns nur schwer von der pittoresken Szenerie losreissen, aber unser Guide Tay besteht  darauf, nun zurück zu unserem Auto nach Can Tho zu tuckern, denn wir wollen das Mittagessen auf einer Insel in dem Seitenarm des Mekong bei My Tho einnehmen. Immerhin sind wir noch mal 1 ½ Stunden nach My Tho unterwegs, wo schon wieder unser „Privat“-Flachboot wartet, um uns über den Mekong auf die Insel des „Kokusnussmönch“ zu fahren, benannt nach einem legendären Mönch, der sich angeblich nur von Kokusnüssen ernährt haben soll.

Das Boot hüpft über die kabbeligen Wellen, denn der Mekongarm ist hier eindrucksvoll breit. Auf der Insel angekommen, steigen wir noch in ein kleineres Boo umt, das uns auf winzigen Kanälen durch Mangrowedickichte und Palmensumpfe zu einem Gartenlokal bringt. Spezialität, ein köstlicher Mekongfisch (sog. Elefantenfisch), der im Geschmack sehr unserem Karpfen ähnelt. Wir lernen das Fischfleisch mit Gemüsestreifen in ein Reispapier zu wickeln, das man noch  in eine würzige Sosse tunkt, sehr lecker. Auf kleinen Pferdewagen transportiert man uns zu einer kleinen Kokusnussfabrik, wo aus dem Fleisch ein dicker Sirup hergestellt wird, der sich dann weiter zu Bonbons und kleinen Täfelchen verarbeiten lässt. Aus den Schalen und dem Holz werden viele Gegenstände hergestellt, von kleinen Trinkschalen bis zu veritablen Möbeln, nicht so geeignet als Souvenir für den Flugtouristen. Bei kleinen Inselbauern werden uns Imkerprodukte angeboten. Wir erstehen ein Säckchen mit Bienenpollen, die sehr gut gegen Magenbeschwerden sein sollen. Das Finale unseres Insel-Events war dann ein kleines Konzert mit 4 Sängerinnen und 2 Instrumentalisten, bei dem uns auch eine Auswahl von lokalen exotischen Früchten und grüner Tee gereicht wurde. Hier draussen im Mekongdelta atmen wir die frische Luft, bevor wir wieder in den Saigon-Smog eintauchen.

 

10. Januar 2016  HCMC  Kriegsmuseum/Massage – Besuch bei alten Freunden von Thomas Ach

An unserem 4. Tag in Saigon verfolgen Katrin und ich unterschiedliche Vormittagsprogramme. Katrin lässt sich 2 Stunden nach allen Regeln der asiatischen Kunst durchmassieren, ich selbst mache mich schon früh auf zum War Remnant Museum, wo die Erinnerungen an den Vietnamkrieg präsentiert werden. Es ist noch nicht so heiss, so dass der Fussmarsch durch die Innenstadt angenehm und abwechslungsreich ist. Kurz vor dem Museum sprechen mich zwei geschäftstüchtige Saigoner an und drücken ihr Bedauern aus, dass das Museum heute am Sonntag leider geschlossen sei. Als Trostpflästerchen bieten sie mir eine Fahrrad-Rikscha-Tour durch die Innenstadt an und zeigen auch ihre lobenden Empfehlungen früherer Kunden. Ich bin auf den Trick nicht reingefallen, da ich von unserem Guide gestern erfahren habe, dass das Museum heute auf ist. Mit einem Augenzwinkern verlass ich die beiden in Richtung Museum und siehe da, das Museum hat nicht nur offen, es ist fast überlaufen von vietnamesischen Schulklassen. Im Garten steht amerikanisches schweres Kriegsgerät: ein Panzer, Hubschrauber, verschiedene Kanonen, Haubitzen und Raketenwerfer.

Die politische Indoktrination beschränkt sich auf das Parterre – eine Heldensaga von Onkel Ho und die allwissende Partei. Auf den zweiten und dritten Stock verteilen sich die Dokumente. Und hier bin ich überrascht, wie zurückhaltend, sachlich, geradezu fair die historischen Fakten und die Kriegsgräuel präsentiert werden. Leider entdecke ich keine wirklich neuen Informationen, das Spannende ist aber, in welcher Weise hier der Blick auf diesen schrecklichen Krieg gerichtet wird. Für mich als Zeitgenossen werden alte Erinnerungen auf die Tagesschauberichte der späten sechziger und frühen siebziger Jahre wach. Es wird mir noch einmal bewusst, dass das amerikanische Militär mehr Bomben auf dieses Land abgeworfen hat, als insgesamt im 2. Weltkrieg verwendet wurden, dazu noch die abgefeimten Scheusslichkeiten von Napalm und dem Entlaubungsmittel „Agent Orange“. Wenn man sich den Definitionstext des Nürnberger Gerichtshofes gegen Völkermord und Kriegsverbrechen vor Augen führt, so handelt es sich bei diesem Krieg um nichts anderes. Die Fotodokumente über die Napalmopfer und die monströsen genetischen Veränderungen durch das Dioxin-Gift „Agent Orange“ sind schrecklich genug. Trotzdem auch hier ein sichtbares Bemühen um Sachlichkeit und Distanz. Die ergreifendsten Bilddokumente haben französische und amerikanische Journalisten geliefert. Eine eigene Abteilung präsentiert hier die bekannten, aber auch für mich z.T. noch unbekannten Fotodokumente. Es sind bei dieser Präsentation nicht nur die Kriegsverbrechen der Amerikaner ausgestellt, sondern auch das Leiden und Sterben der GIs. Auch hier fällt das Bemühen um Objektivität auf. Interessant sind die Reaktionen der Besucher. Die vielen jungen Vietnamesen schauen sich interessiert, aber unbeteiligt (das ist meine Wahrnehmung) die Dokumente an, als würde ihnen eine Ausstellung weit zurückliegender Ereignisse präsentiert, nicht ihre eigene jüngste Geschichte. Dagegen liefen einer älteren Amerikanerin (so in meinem Alter) die Tränen über die Wangen und sie sagte zu ihrem Begleiter: „Das ist meine Geschichte, das hat mein Land verbrochen.“ Auch mich liessen die Dokumente nicht kalt, auch wenn ich das meiste schon mal gesehen hatte. Schliesslich war dieser Krieg eine wesentliche Erfahrung meiner Studentenzeit und hat mich wie so viele nicht unwesentlich politisiert, obwohl der Schauplatz so weit weg war.

Katrin hat natürlich anderes erlebt, sie kommt wie neu geboren aus ihrer Massage. Offenbar hat sie nicht nur Arme, Beine, Füsse, Rücken traktiert bekommen, sondern im Thaistil sich auch einer Ganzkörpermassage unterzogen. „Der Masseur ist richtig auf mir rumgelaufen“. Nun ist sie gut präpariert für die Einladung heute Abend zu alten Freunden von Thomas, wo wir ihn auch zum ersten Mal hier in Viet Nam treffen werden. Ich lass mir noch eben von einer netten Frisörin die Haare schneiden für 2 USD. Dann bin ich auch gerüstet, und mit den extra für solche Fälle mitgenommenen Kleidungsstücken und Schuhen machen wir uns dann gegen 17 Uhr mit dem Taxi auf den Weg zusammen mit unseren Mitbringsel, einem Lotusblumenstrauss und einer Flasche Kirschwasser.

Nach etwa einer Stunde durch den Rushhour-Verkehr gelangen wir in einem schönen Viertel am Rande der 7 Millionenstadt zu dem Compound, in dem die Freunde von Thomas seit 3 Jahren leben. Wir werden herzlich empfangen, nicht nur von Thomas. Wir geniessen einen wunderbaren Abend im Garten vor dem Pool, dann auch mal in demselben, bei köstlichen Getränken und einem selbstgemachten Lachssoufflé. Der Gaumen wird angenehm wieder mal an die europäische Haute Cousine erinnert. Interessant sind die Gespräche, vor allem die Insidererfahrungen der Freunde während ihres nun schon 3 Jahre währenden Aufenthalts in Saigon und Vietnam.

 

11. Januar  Cu Chi

Heute Morgen überkam mich die Furcht, die Reise wäre hier zu Ende. Aus dem Bad hörte ich einen harten Schlag und dann das Prasseln eines Glasregens. Katrin stand unter der Dusche inmitten eines riesigen Glasscherbenhaufens. Die etwas schwergängige Glastür war ihr am Griff aus der Hand gerutscht und gegen die Wand gefahren und in Myriaden von Partikeln gesplittert. Ich war so geschockt, dass ich erst nach zweimaliger Aufforderung Katrin ein Handtuch holte, damit sie über den Scherbenhaufen treten konnte. Die genauere Inspektion ergab: Wie durch ein Wunder war sie bis auf ein paar kleinere Schnittwunden an den Armen unverletzt geblieben. Mit dem Desinfektionsmittel versorgten wir zuerst die Wunden, später noch mit Pflastern, die die Hotelangestellten rasch aus der nächsten Apotheke geholt hatten. Auch bei den Hotelangestellten schwankten die Reaktionen zwischen blankem Entsetzen und peinlicher Berührtheit, dass Katrin so etwas passieren konnte. Noch Stunden später schlotterten mir die Knie, wenn sich das Bild von Katrin inmitten des Scherbenhaufens immer wieder vor das geistige Auge schob. Welche ein Start in den Morgen!

Sonst lief alles wie am Schnürchen. Wie vereinbart, holte uns der Guide Phuong am Hotel ab, unterwegs stiegen am Hotel Caravelle noch Thomas und die Frau des befreundeten Ehepaars, wo er gastlich aufgenommen war, zu. Unsere erste gemeinsame Unternehmung mit unserem dritten Team-Mitglied auf dieser Reise. Nach ca. 70 km Fahrt Richtung kambodschanischer Grenze erreichten wir die Tunnelfestung Cu Chi. Wie sich herausstellte, waren wir nicht die einzigen Besucher. Der Touristenrummel passt irgendwie so gar nicht zu der Anlage, handelt es sich doch um eine Verteidigungsanlage, in der 10.000 Viet Cong umgekommen sind. Aber die irrwitzige Urwaldfestung ist inzwischen ein Tourismusmagnet. Schon in den Kämpfen gegen die französischen Kolonialherren trieben ab 1948 die Widerstandkämpfer unterirdische Munitionslager und Fluchttunnel in den lehmigen Boden. Als 1965 die Amerikaner in dem strategisch wichtigen Gebiet zwischen Saigon und der kambodschanischen Grenze das Hauptquartier ihrer 25. Division errichteten, ahnen sie nicht, dass just unter ihnen schon der „Feind“ eine Tunnelfestung gegraben hatte. Im Laufe der Zeit hatten die Widerstandkämpfer, diesmal gegen das diktatorische Regime von Ngo Dien Diem, ein Tunnelsystem, 2- bis 4stöckig, mit Munitionslagern, Lazaretts, Feldküchen, Versammlungsräumen und Kampfbunkern von mehreren hundert Kilometern gegraben, bis dicht an die Metropole heran. Die einzelnen Systeme sind durch kleine Gänge (80 cm hoch) und geheimen Eingängen miteinander verbunden. Auch nach der Entdeckung konnten die Amerikaner das System nicht zerstören, obgleich sie das ganze Gebiet zur „fire zone“ erklärten und mit Bombenhageln und Napalm bepflasterten. Mörderisch intelligente Fallen und Camouflagetricks hinderten Bodentruppen an der Eroberung. Auch wenn diese Tunnelfestung allen Angriffen standhielt, in der sog. Tet-Offensive 1968 sogar als Startpunkt für die Erstürmung der amerikanischen Botschaft diente, sind in dem Tunnelsystem 10.000 Menschen umgekommen, ein schrecklicher Blutzoll, den die Widerstandkämpfer dafür zahlen mussten.

Heute sind bei Ben Dinh Teile des Systems zugänglich gemacht und rekonstruiert, so dass die Besucher einen Eindruck in das Verteidigungssystem gewinnen können. Die geheimen Falltüren, die Fallen, die aussehen wie mittelalterliche Folterinstrumente, die Anlage von Lazaretts, Versammlungsräumen und Feldküchen, von denen der verräterischer Rauch über Bambuskanäle bis zu 200 m weit zur Oberfläche geleitet wurde, das alles verfehlt seinen Eindruck auf uns nicht. Und als wir dann selbst durch einen der kleinen Tunnel kriechen, nur 25 m – das reicht zum Panikgefühl, dann können wir uns das entbehrungs- und leidensreiche Leben der Widerstandskämpfer gut vorstellen.

Am Nachmittag wieder in Saigon trennen wir uns noch einmal von Thomas. Wir machen die Canon-Niederlassung ausfindig und ersetzen das schadhafte Ladegerät von Katrins Kamera. Jetzt kann sie wieder nach Herzenslust fotografieren. 

 

.12.– 16. Januar 2016  Phu Quoc

Zwischenbemerkung: Fast eine Woche habe ich keine Berichte mehr hochgeladen. Obwohl wir uns eigentlich auf der Insel erholen wollten, haben wir so viel erlebt, dass sich kaum Musse zum Schreiben einstellte. Und dann habe ich mir auch noch eine veritable Grippe mit recht hohem Fieber eingefangen. Irgendwie haben wir Probleme mit der harten Diskrepanz zwischen den tropischen Temperaturen und den kalten Air Conditions. Wir  müssen es wohl noch etwas gemächlicher angehen.

Um 11 Uhr treffen wir uns mit Thomas am Airport von HCMC. Nun beginnt unsere Dreiertour. Eine flotte Turboprop-Maschine bringt uns in einer Stunde auf die Insel Phu Quoc, die tropische Feriendestination Viet Nams der Zukunft. Der Boom ist überall zu beobachten. Als hätten sie keine Zeit zu verlieren, wird allenthalben gebaut, Infrastruktur, Hotelpaläste, vornehme Resorts, Geschäfte etc. Aber es gibt auch noch ursprünglichere, einfachere  Unterkünfte im Backpackerstil. Unser Hotel Phuong Binh House gehört dazu. Nicht besonderes komfortabel, aber direkt am Strand und in der Bar die beste Musik, die wir seit Jahren  gehört in Bars oder Restaurants gehört haben (von Bob Dylan bis Neil Young). Wir geniessen das warme Wasser des siamesischen Golfes (26 Grad), den palmenbestandenen Strand, grandiose Sonnenuntergänge (nur hier sind wir auf unserer ganzen Reise an einem Weststrand) und das gute Essen.

Vor all die Herzlichkeit der Bevölkerung nimmt uns für die Insel ein. Ein Beispiel für viele andere: Thomas musste eine von ihm unterschiebene Vollmacht scannen lassen und per Email nach Hause schicken. Ein Büro, das ein Dokument einscannen konnte, war schlicht nicht aufzutreiben. Man schickte uns in der glühenden Mittagshitze zunächst Richtung Hauptort Duong Dong. Bei einem Handyladen nahm die Verkäuferin Thomas mit auf dem Mofa und suchte im Hauptort ein Internetgeschäft, wo er den Scan erledigen und gleich per Email nach Hause schicken konnte. In der Zwischenzeit wartete ich im Laden und kommunizierte mit dem Ladenbeisitzer via Google-übersetzer. Neben viel Google-Schwachsinn bekam ich Name, Alter meines Kommunikationspartners heraus und dass seine Mutter offenbar eine Zeit lang in Berlin gelebt hatte. Als Thomas auf dem Soziussitz wieder erschien, wollte die junge Frau noch nicht einmal ihre Unkosten (den Scan hatte sie auch bezahlt) erstattet bekommen. Diese Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft hat uns beeindruckt.

Inselerlebnisse: Eine Hauptattraktion ist der Nachtmarkt von Duong Dong. Zahllose Lokale mit einem unerschöpflichen Angebot an fangfrischen Fischen, Muscheln aller Art, Seekrabben, Hummer, Langusten, der blanke Wahnsinn, sogar kleine Haie. Der Teil mit den Fischlokalen macht den weitaus grössten Teil des Marktes aus. In dem andren Teil lernt Katrin die Produkte der hier ansässigen Perlmuschelfarm kennen. Es ist klar, dass sie an einem der nächsten Tage die Farm vor Ort besuchen möchte. Nach einigem Suchen entscheiden wir uns für einen grossen Red Snapper für uns drei zum Nachtmahl. Ein herrlicher Fisch, grossartig zubereitet mit gegrilltem Gemüse. Die nette Kellnerin und der Koch sind so herzig, dass wir mit ein paar Englisch Brocken ins Gespräch kommen. Am Nebentisch tafelt eine vietnamesische Männergesellschaft nach allen Regeln der Völlerei. Uns ist nicht klar, wie sie diese Massen verdrücken können. Vielleicht hilft ihnen dabei der selbstgebraute Schnaps, den sie uns auch zum Probieren anbieten. Er hat einen faden Geschmack, dass wir weitere Angebote freundlich lächelnd ablehnen.

Die schönste Möglichkeit, die Insel etwas näher kennen zu lernen, denken wir, ist ein Motobike als Transportmittel. So leihen wir uns zwei 125 ccm Motobikes aus. Weil ich völlig ungeübt bin, fährt Katrin zunächst mit Thomas. Aber schon bei der Schotterpiste zur Perlenfarm scheint uns das Mofa zu riskant. Deshalb geht Katrin allein zu der Perlenfarm, wir werden uns später in der Hafenstadt An Thoi an der äussersten Südspitze treffen, wir mit dem Motobike, sie mit dem Taxi. Gottseidank hat sie sich so entschieden, denn die Strasse gen Süden an der Westküste entlang war ein Horrortrip, die meisten Teile erst im Bau, Sand- oder Buckelpiste. Auch hier entstehen an der Küste gigantische Hotelanlagen. In ein paar Jahrzehnten ist Phu Quoc nicht mehr wieder zu erkennen. Die Hafenstadt An Thoi sieht aus wie eine Goldgräberstadt aus einem Wildwestfilm, die Hauptstrasse ein Schlammloch, unentwegte Geschäftigkeit überall. Ein Wunder, dass Katrin uns hier trifft. Dank sei unserer vietnamesischer SIMCard.  Es sind nur wenige Kilometer zu einem der schönsten Strände der Insel, Bai Sao, ein Traumstrand in der Tat mit fast weissem Sand und sanfter Dünung. Vom Wasser aus schweift der Blick über die üppig grünen Hügel. Im Schatten der Palmen muss man nicht vom Paradies träumen, man ist mittendrin. Auf der Heimfahrt vertraut Katrin meinen Fahrkünsten, zurceht, denn ich bringe uns wohlbehalten zum Hotel, auch durch den dicken Verkehr der Inselhauptstadt Duong Dong.

Am letzten Tag unseres Inselaufenthaltes wollte Katrin unbedingt noch einen anderen Traumstrand besuchen, der ihr vom Taxifahrer empfohlen worden war. Aber unser Taxifahrer, den wir dazu anheuerten, war zu unfähig diesen Strand zu finden, er hatte auch keine Ahnung, dass die in den Karten verzeichnete Landschaft schöne Strecke noch gar nicht befahr war. So mussten wir das Taxi aus der Sandpiste rausschieben und über irgendwelche unfertigen Pisten gelangten wir zu dem kleine Fischerhafen Ganh Dau. Aber den sagenhaften Strand Bai Dai haben wir nicht gefunden.

Heute Abend heisst es packen, den morgen brechen wir auf Richtung Kambodscha.

 

17. Januar 2016  Phu Quoc – Ha Tien – Chau Doc (noch Vietnam)

Um 7 Uhr holt uns das Shuttle zum Hafen an der Ostküste ab, wo schon das Schnellboot wartet, das uns in 1 ½ Stunden an Festland zur Hafenstadt Ha Thien bringt. Die in Reiseführern als lebendig und pittoresk gepriesene Stadt haben wir keine Zeit auch nur eines Blickes zu würdigen, denn kaum bleibt noch Zeit für das Taxi, uns zum Busbahnhof zu bringen. Der alte klapprige chinesische Bus nach Chau Doc erfüllt alle unsere Intentionen, dies Land ganz nah und in engem Kontakt zur Bevölkerung zu erleben. Frachtgut im Fahrgastraum, stickige Luft, Enge, holprige Pisten ohne Stossdämpfer (gefühlt!), eine kreischende Buschefin, die das Fahrgeld verwaltet, und 5 Stunden Peinfahrt durch eine recht abwechslungsarme Landschaft. Zunächst schrammt der Bus an der Küstenstrasse entlang. Und - wie hier üblich - endlose Garagengeschäfte, Wellblechbaracken, kleine Häuser, alle entlang der wenigen vorhandenen Strassen, versperren weitgehend den Blick in die Landschaft. Als wir für die 80 km mit Umwegen über Dörfer nach 4 ½ Stunden endlich in Chau Doc angekommen waren, warf uns der Bus am äussersten Stadtrand in einer Seitenstrasse buchstäblich im Strassendreck raus. Hier warteten keine Taxis, wir kamen nicht weiter mit all unsrem Gepäck. Aber der welterfahrene Thomas findet schnell einen netten Mofafahrer, der ihn in die Innenstadt zu den entsprechenden Taxis mitnimmt, und nach kaum einer viertel Stunde braust das Taxi mit Thomas vor, lädt uns und das ganze Gepäck auf und bringt uns in wenigen Minuten zum Hotel. Leider war ich durch die starke Erkältung und aussergewöhnlich hohes Fieber ziemlich angeschlagen und nur begrenzt einsatzfähig. Hier zeigt sich, wie segensreich das Dreier-Team sein kann.

Chau Doc ist im Gegensatz zur Insel Phu Quoc sehr ursprünglich geblieben, die Bevölkerung nimmt uns wenige Ausländer aufmerksam wahr und ist freundlich zugewandt. Die Uferpromenade an einem Mekongseitenarm gewährt interessante Ausblicke auf das Leben mit dem grossen Fluss. Thomas hat noch am Abend unsere Schnellboottickets nach Kambodscha gekauft. Gottseidank ist er nach wie vor gut drauf.

 

18. Januar 2016  Chau Doc (Viet Nam) – Phnom Penh (Kambodscha)

Um 7 Uhr 30 legt das schnittige Boot ab und strebt auf dem Seitenarm dem grossen Hauptbett des Mekong entgegen, das es dann in der Nähe der kambodschanischen Grenze erreicht. Die Grenzformalitäten, sowohl Ausreise aus Viet Nam als auch „Visum on Arrival“ in Kambodscha werden mit Hilfe der Bootscrew problem- und geräuschlos abgewickelt. Danach heizt das Schnellboot gegen die Strömung (in der Trockenzeit eher gering) noch 3 Stunden auf dem breiten Fluss gen Norden. Die beeindruckende Grösse dieses Flusses lässt erahnen, was er nach 4000 km alles erlebt und mitgenommen hat. Es wäre trotz des Motorgeräusches eine beschauliche Fahrt geworden, wenn nicht mitfahrende angetrunkene Engländer durch ihr Gegröle die Szenerie beherrscht hätten.

Wir nähern uns langsam der Hauptstadt Phnom Penh. Die moderne Skyline der Hochhäuser ist schon von weitem wahrzunehmen. Auch hier allenthalben Boom und Aufbruch. Das Boot biegt vom Hauptarm des Mekong ab in den Tonle Sap. Dieser Fluss ist geographisch sehr interessant: Er wechselt im Jahr zweimal seine Fliessrichtung. Während der Regenzeit, wenn der Mekong Hochwasser führt, leitet er das Wasser nach Nordwesten ab zu dem grossen Tonle Sap –See und wirkt wie ein Auffangbecken. Bei dem Niedrigwasser der Trockenzeit ändert der Fluss seine Richtung und führt das aufgestaute Wasser wieder zurück zum Mekong. Dadurch verhindert diese erstaunliche natürliche Ausgleichsanlage sowohl Ueberschwemmungen des Mekongdeltas als auch Dürreperioden.

Am Bootsanleger warten schon die typischen TukTuks, von denen eins uns samt dem vielen Gepäck zum Hotel bringt, das zwar gut gelegen, schöne Zimmer und sogar einen Roof-Swimmingpool mit Skybar anbietet. Aber weder funktioniert unser Zimmersafe, noch ist das Zimmer um 13 Uhr gereinigt. Katrin erreicht mit energischem Aufreten, dass wir ein anderes Zimmer, sogar eine Klasse höher bekommen. Der Blick von dem Dachterassen-Swimmingpool über den Tonle Sap und die Innenstadt entschädigt für alle Unbilden. Allerdings habe ich nicht so den Blick für all das Schöne. Meine Erkältung fordert mit ziemlich hohen Fieber ihren Tribut, indem ich abtauche. Gottseidank ist Thomas so fit, alles Wichtige in Erfahrung zu bringen und sich auch schon für unsere Weiterreise nach Battambang umzuschauen. Katrin und Thomas nehmen im berühmten FCC (Foreign Correspondent Club – die Zentrale, wo sich die ausländischen Journalisten während des Indochinakonfliktes aufhielten), eine Aperitif, um dann schön in einem der vielen Restaurants unserer Hotelgegend zu Abend zu essen.

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